»Dôjôkun« … die fünf goldenen Regeln des Karate-Trainings
Auf dieser Seite wollen wir Dir einen wichtigen Einblick in die philosophischen Aspekte des Karate-Trainings geben. Eine bedeutsame Rolle kommt hierbei den sogenannten 道場訓 … »dôjôkun« zu. Diese Leitsätze wurden von 寛賀 佐久川 … Kanga Sakugawa (1733 – 1815) erstellt. Sakugawa-Sensei
war ein Karate-Meister aus Okinawa. Man sagt, dass noch ältere Wurzeln dieser Regeln auf den buddhistischen Mönch Bodhidharma (440 – 528) aus Indien zurück gehen. Bodhidharma wird in Japan 達磨 … Daruma genannt. Seine Nachbildung aus
Pappmaché ist in Japan ein beliebter Glücksbringer.
Zunächst einmal möchten wir feststellen, dass die nachfolgenden Regeln grundsätzlich in allen traditionellen Kampfkünsten von großer Bedeutung sind und wertgeschätzt werden. In vielen Dôjô werden die Dôjôkun am Trainingsende vom ranghöchsten Schüler aufgesagt und von den anderen Schülern wiederholt.
Transkription und Interpretation
Es gibt bei den Dôjôkun auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit, nämlich die Transkription. Damit ist die Übertragung der japanischen Schriftzeichen in unser lateinisches
Alphabet gemeint. Die Übersetzung und Deutung der japanischen Inhalte fällt hingegen sehr unterschiedlich aus. Wir haben uns an die weit verbreitete Übersetzung gehalten. Wichtig ist, dass wir
diese Regeln nicht nur als Bestandteil unseres Karate-Trainings betrachten sollten. Sie können auch für unser tägliches Leben als »Verhaltenskodex« gelten. Über weite Strecken erklären sich die
Übersetzungen schon von selbst. Wir haben sie allerdings auch um einige persönliche Einschätzungen und Interpretationen ergänzt. Nachfolgend findest Du die Dôjôkun in einer grafischen
Aufbereitung als PDF-Datei zum Ausdrucken. Als kleine Lernhilfe enthält dieses Layout die Aussprache der japanischen Schriftzeichen und die
deutsche Übersetzung. Am Ende dieser Seite findest Du auch eine MP3-Datei zum Download in der die korrekte Aussprache der Dôjôkun zu hören
ist.
道場訓
Dôjôkun
一、人格完成に努むること
hitotsu, jinkaku kansei ni tsutomuru koto
Vervollkommne Deinen Charakter!
一、誠の道を守ること
hitotsu, makoto no michi o mamoru koto
Bewahre den Weg der Aufrichtigkeit!
一、努力の精神を養うこと
hitotsu, doryoku no seishin o yashinau koto
Entfalte den Geist der Bemühung!
一、礼儀を重んずること
hitotsu, reigi o omonzuru koto
Sei höflich und respektiere andere!
一、血気の勇を戒むること
hitotsu, kekki no yû o imashimuru koto
Hüte Dich vor übertriebenem Übermut!
Vervollkommne Deinen Charakter!
Der erste Paragraf gilt dem Streben nach Vervollkommnung unseres Charakters. Wir sind aufgefordert nie mit dem Lernen aufzuhören. Das gilt nicht nur für unser Karate-Training, sondern auch für unser Leben außerhalb des Dôjô. Auch dort wachsen wir an unseren Aufgaben. Es ist wichtig, dass wir uns für unser Tun Ziele setzen. Sobald wir diese erreicht haben, gilt es uns durch neue Ziele weiter zu entwickeln und weiter zu verbessern.
Bewahre den Weg der Aufrichtigkeit!
Der Begriff 誠 … »makoto« steht im Japanischen für Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Redlichkeit und Treue. Ebenso breit gefächert ist die Interpretation des »Weges der Aufrichtigkeit«. Es geht in erster Linie darum uns selbst treu zu bleiben. Um das zu erreichen, müssen wir immer unser Bestes geben. Das gilt für alle Bereiche unseres Lebens. Wenn Du Dir selbst treu bist, werden auch andere Vertrauen in Dich haben.
Entfalte den Geist der Bemühung!
Diese Aufforderung ist ebenso ein sehr wichtiger Leitsatz. Nicht nur im Karate! Selbst wenn Du glaubst etwas nicht zu können, dann sollest Du es zumindest versuchen und Dir Mühe geben. Und bemühe Dich bei allem stets darum es möglichst gut zu machen! Wenn Du nicht bereit bist jederzeit Dein Bestes zu geben, wirst Du in vielen Dingen nicht voran kommen.
Sei höflich und respektiere andere!
»Reigi« ist Höflichkeit. Dieser Begriff bedeutet aber weit mehr, als das, was wir landläufig darunter verstehen. Daher haben wir in unserer Deutung den Respekt gegenüber anderen hinzugefügt. Es ist ganz wichtig, dass wir unsere Trainingskameraden und Wegbegleiter wertschätzen. Wir freuen uns darüber den Weg gemeinsam mit ihnen zu gehen und das bringen wir durch »Reigi« zum Ausdruck. Nicht nur in unserem Dôjô gilt, dass man sich selbst zu Gunsten der Harmonie in der Gruppe zurücknehmen soll. All das verbirgt sich hinter unserer Interpretation dieser Regel.
Hüte Dich vor übertriebenem Übermut!
Dieser Leitsatz lässt sehr viel Auslegungsspielraum zu. Es geht in erster Linie um unseren inneren Frieden. Diesen sollen wir auch nach außen ausstrahlen. Oberstes Gebot ist der absolute Gewaltverzicht in unserem Tun und Handeln. Viele Menschen verbinden mit Kampfkünsten wie Karate ein gewisses Maß an Bereitschaft die Kräfte mit anderen durch körperliche Auseinandersetzung zu messen. Durch unser Training entwickeln wir aber insbesondere auch innere Stärke. Diese Stärke ermöglicht uns »Kämpfe« außerhalb des Dôjô in jeglicher Form abzulehnen und dadurch zum friedlichen Miteinander beizutragen.
Zwei selten erklärte Besonderheiten
Auf zwei Besonderheiten bei den Dôjôkun möchten wir Dich gerne noch aufmerksam machen. Diese finden sich nur selten in der Erklärung zu diesen Verhaltensregeln. Am Anfang jeder Regel steht 一、… hitotsu, was oft mit »Eins ist« übersetzt wird. Wie Du sehen kannst, sind die Dôjôkun demnach nicht durchnummeriert und mit der Kennzeichnung »hitotsu« wird zum Ausdruck gebracht, dass alle Regeln gleichwichtig und bedeutsam sind. Am Ende der Leitsätze findest Du die zwei Hiragana-Zeichen こと … koto. Man sieht in manchen Darstellungen aber auch das japanische Kanji 事 mit derselben Aussprache. In diesem Zusammenhang, also am Ende eines Ratschlages, steht dieses Zeichen für die Aufforderung »Du sollst«. Es ist damit eine Art ausgeschriebenes Ausrufezeichen und wird als solches auch in der deutschen Übersetzung sichtbar.
Zwei Karate-Persönlichkeiten in unserem Layout
Wir hoffen, dass wir Dir mit diesen Erklärungen einen kleinen Einblick in die Bedeutung der Dôjôkun geben konnten. Auf unserem Layout haben wir zwei bedeutsame Karate-Persönlichkeiten abgebildet. 義珍 船越 … Gichin Funakoshi (1868 – 1957) ist der Stilbegründer des Shôtôkan-Karate und 正敏 中山 … Masatoshi Nakayama (1913 – 1987) war einer seiner Schüler. Im Jahr 1949 war Nakayama-Sensei Mitbegünder der Japan Karate Association (JKA). Nach dem Tod von Funakoshi-Sensei wurde er sein Nachfolger als Technischer Berater der JKA.
»Dôjôkun« auswendig lernen und nachsprechen
Die Dôjôkun bestehen nur aus fünf recht kurzen Sätzen. Es ist also grundsätzlich nicht sehr schwer diese auswendig zu lernen. Etwas kniffliger wird es mit der Aussprache. Ein großer Vorteil ist, dass Japanisch recht nah an der »Übersetzung« (Transkription) in unser Schriftsystem gesprochen wird. Es gibt allerdings ein paar Ausspracheregeln. Wir können diese bei den Dôjôkun im Wesentlichen auf drei reduzieren: Es gibt verschluckte und somit stumme Vokale wie bei hitots(u). Vokale werden grundsätzlich getrennt voneinander gesprochen wie bei »kanse-i«, »se-i-shin« oder »re-i-gi« und in die japanischen Silbe »chi« müssen wir ein »t« in der Aussprache einfügen, wie beispielsweise im Wort »mi(t)chi«. Mehr gibt es beim Aufsagen der Dôjôkun nicht zu beachten. Möchtest Du es gleich mal ausprobieren?
MP3-Datei zum Download
Das Internet und vor allem YouTube bieten sehr viele weitere Hinweise und Ausführungen zu den Dôjôkun. Es gibt allerdings nicht sehr viele MP3-Dateien auf denen sie zu hören sind. Wir freuen uns sehr, dass Shinji Akita-Sensei (6. Dan) – Chiefinstructor der Shôtôkan Karate Alliance International (SKAI) – die Dôjôkun eigens für unser Karate-Dôjô Mukinshôri aufgenommen hat. Diese Datei haben wir zum Download für Dich verlinkt. Wenn Du Dir diese MP3-Datei einige Mal angehört hast – das geht nach Speicherung auf Deinem Smartphone recht einfach – wirst Du bestimmt auch bald in der Lage sein die Dôjôkun auf Japanisch nachzusprechen. Viel Erfolg! (◠‿◠)